Die Energiewende ist ein globales Unterfangen. Kein Land kann alleine den kompletten Umbau seines Energiesystems bewerkstelligen, ohne dabei internationale Lieferketten, Märkte und Technologien zu berücksichtigen. Grüner Wasserstoff spielt in diesem Kontext eine besondere Rolle, denn seine Herstellung ist stark von Standortfaktoren wie Sonneneinstrahlung, Windstärken und Landverfügbarkeit abhängig. Viele sonnen- oder windreiche Regionen befinden sich in Ländern des globalen Südens, während die größte Nachfrage nach grünem Wasserstoff oft in industrialisierten Nationen im globalen Norden entsteht.
Internationale Kooperationen werden daher essentiell: Sie können nicht nur den Handel mit Wasserstoff voranbringen, sondern auch eine gerechte Wertschöpfung ermöglichen, technologische Entwicklungen beschleunigen und politische Stabilität fördern. Dieser Beitrag beleuchtet die Chancen und Risiken solcher Partnerschaften und fragt, welche Modelle sich abzeichnen.
Warum internationale Kooperationen entscheidend sind
Wasserstoff ist ein global handelbarer Energieträger, sofern entsprechende Infrastruktur vorhanden ist. Das ist der zentrale Unterschied zu rein lokal genutzten erneuerbaren Energien. Während Solar- und Windstrom bislang meist regional verbleiben, bietet Wasserstoff die Möglichkeit, Energie global zu transportieren – ähnlich wie Öl und Gas. Das schafft neue Chancen:
• Ressourcenausgleich: Industrieländer mit hohem Energiebedarf, aber begrenztem Ausbaupotenzial für erneuerbare Energien, können von sonnen- und windreichen Ländern profitieren.
• Wirtschaftliche Entwicklung: Länder mit großen Flächen und günstigen Bedingungen für erneuerbare Energien können durch den Export von grünem Wasserstoff neue Wirtschaftszweige aufbauen.
• Technologietransfer: Internationale Zusammenarbeit kann helfen, effizientere Elektrolyseure, bessere Logistiklösungen und standardisierte Regelwerke für den Wasserstoffhandel zu entwickeln.
• Geopolitische Diversifizierung: Statt von wenigen fossilen Lieferanten abhängig zu sein, kann ein diversifiziertes Netzwerk von Wasserstoffpartnerschaften globale Energiesicherheit erhöhen.
Beispiel Europa und Nordafrika
Europa hat ehrgeizige Ziele für den Einsatz grünen Wasserstoffs – nicht nur für die Industrie, sondern auch als strategische Reserve. Doch die Fläche und die Anzahl der geeigneten Standorte für erneuerbare Energien sind begrenzt. Nordafrikanische Länder wie Marokko oder Ägypten verfügen über ausgezeichnete Solar- und Windressourcen. Hier könnte eine Win-win-Situation entstehen: Marokko exportiert grünen Wasserstoff (oder daraus hergestelltes Ammoniak) nach Europa und erhält im Gegenzug Investitionen, Infrastruktur und Technologie.
Solche Projekte erfordern jedoch einen klaren Rechtsrahmen, langfristige Lieferverträge und einen fairen Ausgleich der Interessen. Die Herausforderung besteht darin, dass sichergestellt wird, dass die lokale Bevölkerung von den Investitionen profitiert und dass ökologische Standards eingehalten werden.
Afrika, Namibia und neue Wertschöpfungsketten
Namibia ist ein prominentes Beispiel, das in den letzten Jahren Aufsehen erregt hat. Mit exzellenten Wind- und Solarbedingungen sowie politischer Stabilität positioniert sich das Land als potenzieller Produzent von grünem Wasserstoff für den Weltmarkt. Internationale Konsortien, häufig auch mit deutschen Partnern, wollen Milliarden in Produktionsanlagen investieren.
Damit kann Namibia seine Wirtschaft diversifizieren. Wichtig ist aber, dass dieses Engagement mehr schafft als nur Produktion für den Export. Die lokale Bevölkerung, insbesondere Arbeitskräfte, sollen profitieren. Berufsausbildungen, lokale Zulieferer und ein nachhaltiger Nutzen für Namibias Infrastruktur sind entscheidend. Internationale Kooperationen müssen transparent gestaltet werden, um das Misstrauen einer neokolonialen Ausbeutung von Ressourcen auszuräumen.
Norwegen und blauer Wasserstoff: Eine Übergangslösung?
Auch zwischen Norwegen und Deutschland entsteht eine besondere Partnerschaft. Norwegen, lange Zeit Lieferant von Erdgas, möchte nun auch blauen Wasserstoff (aus Erdgas mit CO₂-Abscheidung) liefern. Dies ist umstritten, da blauer Wasserstoff nicht völlig emissionsfrei ist. Doch als Zwischenlösung, um die deutsche Industrie zu stabilisieren, könnte diese Art von Kooperation ein Baustein sein.
Langfristig soll blauer Wasserstoff durch grünen ersetzt werden, doch bis zum Aufbau der notwendigen Kapazitäten braucht es Übergangslösungen. Hier ist ein ehrlicher, transparenter Diskurs wichtig, um sicherzustellen, dass solche Kooperationen nicht den Einstieg in grüne Alternativen verzögern.
Der europäische Wasserstoff-Backbone: Infrastruktur als Schlüssel
Ein großangelegtes Pipeline-Netz, der sogenannte „European Hydrogen Backbone“, ist geplant, um innerhalb Europas grünen Wasserstoff von Produktionsstätten zu Industriezentren zu transportieren. Internationale Kooperationen entstehen hier nicht nur zwischen Afrika und Europa, sondern auch innerhalb Europas zwischen Norden, Süden, Osten und Westen.
Die Infrastruktur ist ein kritisches Element. Pipelines, Kaverenspeicher, Terminals und Häfen sind teuer und müssen langfristig geplant werden. Diese Koordination erfordert internationale Abstimmungen, harmonisierte Standards und gemeinsame Investitionsfonds. Die EU könnte hierbei als Koordinator auftreten.
Rolle von Entwicklungsbanken und internationalen Organisationen
Internationale Finanzierungseinrichtungen wie die Weltbank, die Europäische Investitionsbank oder Entwicklungsbanken spielen eine Schlüsselrolle. Sie können den Aufbau von Wasserstoffprojekten in Entwicklungs- und Schwellenländern durch günstige Kredite, Garantien und Risikoteilungen unterstützen. Dadurch wird das Investitionsrisiko für private Unternehmen gesenkt, und großskalige Projekte werden überhaupt erst möglich.
Auch internationale Organisationen wie die Internationale Energieagentur (IEA) oder die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) wirken als Plattformen für den Erfahrungsaustausch, die Erarbeitung von Standards und die Verbreitung von Best Practices.
Chancen: Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Know-how-Transfer
Die Potenziale solcher Kooperationen sind enorm:
• Beschäftigungseffekte: Die Installation großer Elektrolyseure, die Wartung von Anlagen und Infrastruktur schafft neue Jobs, besonders in strukturschwachen Regionen.
• Technologieentwicklung: Internationale Teams können schnellere Innovationszyklen ermöglichen, weil Wissen aus verschiedenen Ländern gebündelt wird.
• Kostensenkung: Je größer die Nachfrage, desto mehr sinken die Preise. Internationale Partnerschaften können eine Standardisierung vorantreiben, die Kosten für Anlagen, Elektrolyseure und Transport senkt.
Risiken: Neo-Kolonialismus und Umweltkonflikte
Doch es gibt auch Schattenseiten:
• Ungleichgewicht in der Wertschöpfung: Wenn der grüne Wasserstoff nur als Rohstoff exportiert wird und die eigentliche Veredlung in Industrieländern stattfindet, könnte es zu einem neuen Muster wirtschaftlicher Abhängigkeit kommen.
• Umwelt- und Sozialkonflikte: Großflächige Wind- und Solarparks können lokale Ökosysteme stören. Wenn nicht sorgfältig geplant, führt dies zu Konflikten mit indigener Bevölkerung und Naturschutz.
• Politische Instabilität: Wenn sich Länder zu sehr von einzelnen Wasserstofflieferanten abhängig machen, entsteht ähnlich wie bei fossilen Rohstoffen ein geopolitisches Risikopotenzial.
• Rechtliche Unsicherheit: Unklare Investitionsschutzabkommen, schwache Rechtssysteme oder politische Wechsel können Projekte gefährden.
Gerechte Partnerschaften: Was ist zu tun?
Damit internationale Kooperationen erfolgreich sind, müssen sie auf Augenhöhe stattfinden. Das heißt:
1. Transparenz und Partizipation: Alle betroffenen Interessengruppen, einschließlich lokaler Gemeinden, müssen frühzeitig in die Planung einbezogen werden.
2. Faire Gewinnverteilung: Ein Teil der Wertschöpfung sollte im Erzeugerland verbleiben, etwa durch lokale Weiterverarbeitung, Ausbildung von Fachkräften oder Infrastrukturinvestitionen.
3. Einbindung lokaler Märkte: Nicht nur Export, sondern auch die Deckung des heimischen Energiebedarfs sollte Teil der Strategie sein, um eine breite Akzeptanz zu sichern.
4. Nachhaltigkeitsstandards: Zertifizierungen und Umweltgutachten sollten verpflichtend sein, um negative Auswirkungen auf Ökosysteme zu minimieren.
Politische Rahmenbedingungen und internationale Verträge
Die Schaffung eines globalen Marktes für grünen Wasserstoff erfordert internationale Handelsabkommen, klare Zertifizierungssysteme und Standards für Messung, Berichterstattung und Verifizierung von Emissionen. Die EU etwa arbeitet an einem „Grünen Wasserstoff-Zertifikat“, das die Herkunft und Nachhaltigkeit von Wasserstoff dokumentieren soll. Nur so kann man sicherstellen, dass nicht am anderen Ende der Welt für den grünen Wasserstoff dreckige Praktiken eingesetzt werden, die den Klimanutzen schmälern.
Lernkurven und Pilotprojekte
Derzeitige Kooperationen sind oft Pilotprojekte. Sie dienen dem Lernen, Testen von Geschäftsmodellen, Technologien und politischen Instrumenten. Erfolgsgeschichten, aber auch Misserfolge, werden die Grundlage für ein besseres Verständnis legen. Aus den Erfahrungen in Namibia, Marokko oder Norwegen können Lehren gezogen werden, wie sich langfristige, stabile und faire Beziehungen gestalten lassen.
Fazit: Ein globales Puzzle, das nur gemeinsam gelöst werden kann
Internationale Kooperationen für grünen Wasserstoff sind kein Nischenthema, sondern ein zentraler Schlüssel, um die globale Energiewende zu meistern. Sie bieten immense Chancen für wirtschaftliche Entwicklung, Emissionsreduktion und Technologiefortschritt. Doch sie bergen auch Risiken, wenn Machtungleichgewichte, Umweltzerstörung oder ungerechte Wertschöpfungsketten nicht adressiert werden.
Der Weg zu tragfähigen, fairen und ökologisch sinnvollen Wasserstoffpartnerschaften ist lang. Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen müssen zusammenarbeiten, um transparente, faire und langfristig stabile Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur so kann grüner Wasserstoff sein volles Potenzial entfalten und ein Baustein werden, der Länder und Kontinente näher zusammenbringt, statt neue Abhängigkeiten und Konflikte zu schaffen.